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Ein erfolgreicher Mediator!

Der Name des 39. Präsidenten der USA, daran dürfte es keine Zweifel geben, wird noch lange mit der Methode der „Pendeldiplomatie“ und „Shuttle-Mediation“ in Verbindung gebracht werden. War er es doch, der am 29. Dezember 2024 im Alter von 100 Jahren verstorbene Jimmy Carter, der die verfeindeten Staaten Ägypten und Israel dazu brachte, ihre kriegerischen Auseinandersetzungen zu beenden und ein Friedensabkommen zu schließen – das berühmte Friedensabkommen von Camp David (vgl. Wright, Dreizehn Tage im September, 2016).

Doch der Reihe nach:

Nach zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen Israels mit seinen arabischen Nachbarn, zuletzt dem Jom-Kippur-Krieg von 1973, waren die Konfliktbeteiligten Ägypten und Israel 1977 schließlich bereit, in ein neues Kapitel ihrer Beziehungen einzutreten: Rückgabe des von Israel besetzten ägyptischen Staatsgebietes einerseits und Anerkennung der Existenz des Staates Israel durch Ägypten andererseits gemäß der Formel „Land gegen Friede“.

Nachdem jedoch bilaterale Verhandlungen zwischen Israel und Ägypten nicht zum Erfolg führten, lud Jimmy Carter den ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat und den israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin nach Camp David, dem Landsitz der amerikanischen Präsidenten, ein, um dort mit Ihnen die Chancen für ein Friedensabkommen auszuloten. Er selbst nahm, wie er es in seinen Memoiren bezeichnete, dabei die Rolle eines „mediators and active negotiators“ ein, brachte sich also auch selbst mit Verhandlungsvorschlägen in die Gespräche ein .

Der Erfolg der Vermittlungsbemühungen Jimmy Carters während der 13tägigen Verhandlungen ist rückblickend – neben der Sicherstellung von Vertraulichkeit durch Ausschluss der Presse, einer umfassenden Vorbereitung hinsichtlich des Konfliktgegenstandes einschließlich psychologischer Analysen der beiden Verhandlungspartner, dem Aufbau vertrauensvoller und persönlicher Beziehungen zu den beiden Regierungschefs bei gleichzeitig praktizierter Neutralität und Allparteilichkeit in den Gesprächen – letztlich auf den Einsatz der Methode der Shuttle-Mediation zurückzuführen. Denn auch in Camp David war es den jeweiligen Verhandlungsdelegationen und ihren Leitern Anwar al-Sadat und Menachem Begin zunächst schwergefallen, zielführende gemeinsame Gespräche zu führen; sie endeten regelmäßig in einem unfruchtbaren Streit.

Jimmy Carter verlegte sich deshalb auf eine Abfolge von Einzelgesprächen und darauf, die Ergebnisse der jeweiligen Einzelgespräche der anderen Seite zu unterbreiten, um deren Meinung dazu einzuholen. Ägypter wie Israelis waren in unterschiedlichen Gästehäusern in Camp David untergebracht und der amerikanische Präsident pendelte zwischen den Parteien hin und her.

Diese Vorgehensweise erleichterte es den Verhandlungsdelegationen, ohne Gesichtsverlust sich mit den Argumenten und den Interessen der jeweiligen Gegenseite auseinanderzusetzen, Änderungsvorschläge zu unterbreiten und mögliche Lösungen auszuloten.

Und erst als die entscheidenden Fragen zwischen den Delegationen geklärt und unterschriftsreif waren, kamen sie am 17. September 1978 gemeinsam zusammen, um sie zu unterzeichnen. Sie beinhalteten, basierend auf der UN-Resolution 242, den Rückzug Israels vom Sinai, diplomatische Anerkennung und Friedensverträge (Jimmy Carter, Keeping Faith: Memoirs of a President. 1982).

Ein großartiger Erfolg für den US-Präsidenten Jimmy Carter, der die Rolle des Mediators professionell ausgefüllt und sich des Formats der Shuttle-Mediation gekonnt und erfolgreich bedient hatte.

Und da es nicht stets internationale Friedensverhandlungen sein müssen, um sich des oben beschriebenen Formats zu bedienen, sondern Shuttle-Mediationen grundsätzlich immer eingesetzt werden können, wenn es die konkreten Umstände erfordern, hier noch einmal kurz zusammengefasst die Chancen und Risiken, die mit ihrem Einsatz verbunden sind (vgl. hierzu auch Fritz/Pielsticker, Handbuch Mediationsrecht, 3. Aufl., S. 817 ff):

Zu den Vorteilen zählt u.a., dass

  • langwierige Terminabsprachen mit allen Konfliktparteien entfallen,
  • auf Terminangebote flexibel reagiert werden kann,
  • hochemotionale und hochstrittige Konfliktbeteiligte nicht die Hemmschwelle eines persönlichen Kontakts mit der Gegenseite überwinden müssen,
  • Machtungleichgewichte in den Hintergrund treten,
  • der Spontanitätszwang, sofort auf die Gegenseite reagieren zu müssen, entfällt und
  • der Mediator sich spezifischer Techniken wie Konflikt-Coaching-Tools unschwer bedienen kann.

Nicht übersehen werden dürfen jedoch etwaige Nachteile, wie

  • der mögliche Machtzuwachs, der dem Mediator durch eine Vielzahl von Einzelgesprächen zuwächst,
  • die Gefahr, dass die Allparteilichkeit des Mediators durch die jeweils andere Konfliktpartei in Frage gestellt werden kann,
  • die Offenbarung von solchen Umständen im vertraulichen Einzelgespräch, die einen Abbruch der Mediation angezeigt erscheinen lassen und
  • die Schwierigkeit, bei komplexen Sachverhalten zwischen den Informationen zu unterscheiden, die absolut vertraulich zu behandeln sind und solchen, die der Gegenseite mitgeteilt werden sollen.

Um dem vorzubeugen, empfiehlt es sich die Ergebnisse der einzelnen Gespräche für den Eigengebrauch als Gedankenstütze zu verschriftlichen und zur Vermeidung von Missverständnissen und um Haftungsrisiken vorzubeugen diejenigen Gesprächsinhalte, die an die andere Konfliktpartei weitergegeben werden sollen, ebenfalls schriftlich festzuhalten und mit der jeweiligen Konfliktpartei abzustimmen.

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