Das „Handbuch Mediationsrecht“ von Fritz / Pielsticker, nunmehr in 3. Auflage erschienen, ist bekanntlich breit aufgestellt – nicht allein vom Umfang mit über 1300 Seiten, sondern vor allem von seinem Inhalt: Da wären zum einen in den Abschnitten 1 bis 4 die umfassenden Kommentierungen der Vorschriften des Mediationsförderungsgesetzes, der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren, des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes und des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu nennen.Und zum anderen in den Abschnitten 5 und 6 der qualitätsvolle Lehrbuchteil, der sich mit Methodik und Anwendungsbereichen der Mediation befasst und die anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung ausführlich darstellt.
Der vorliegende Beitrag von Rechtsanwalt Günter Erdmann – der dritte in einer Reihe von Abhandlungen, die die Inhalte des Handbuchs aufgreifen – befasst sich mit der Durchführung der „Anwaltlichen Vergleichsvermittlung“ unter Anwendung spezifischer Mediationstools.
Ausführungen hierzu – ebenfalls verfasst von Günter Erdmann – finden sich im Handbuch ab S. 1064 ff.
Hier nun der aktuelle Beitrag:
Mediationsstrukturen und -techniken in der anwaltlichen Vergleichsvermittlung
Mit meinen Ausführungen im als Standardwerk zu bezeichnenden „Handbuch Mediationsrecht“ befasse ich mich in einem eher kurzen Beitrag mit dem Thema der anwaltlichen Vergleichsvermittlung, das in Reinkultur in der Realität der anwaltlichen und mediatorischen Tätigkeit eher eine untergeordnete Rolle einnehmen dürfte.
Grund hierfür ist die Tatsache, dass bei der anwaltlichen Vergleichsvermittlung im strengeren Sinne die eigentliche Verhandlungs- und Vergleichsbereitschaft allein und ausschließlich zwischen den auch zum Abschluss bevollmächtigten Rechtsanwälten stattfindet, sie mithin ohne weitere Einbeziehung der von ihnen vertretenen Mandanten eine verbindliche Lösung herbeiführen sollen. Daraus erhellt, dass es sich weder um eine Mediation im klassischen Sinne noch um eine im Format der Cooperativen Praxis handelt.
Gleichwohl setzt eine derartige Vorgehensweise, will sie denn erfolgreich sein, nicht nur ein verändertes anwaltliches Rollenverständnis, sondern vielmehr auch eine umfassende systematische Vorbereitung, Mandatierung und Vollmachtserteilung zum Abschluss voraus.
Gerade was die umfassende systematische Vorbereitung anbelangt, kann ich aus eigener Erfahrung nur empfehlen, gemeinsam mit dem Kollegen/der Kollegin auf der anderen Seite vorab den „Fahrplan“ und die zu behandelnden Themen – vergleichbar der Themensammlung in der Mediation – festzulegen und diese dann im nachfolgenden Gespräch der Vergleichsvermittlung auch einzuhalten. Die erfordert nicht nur Disziplin, sondern auch das vorherige Einvernehmen exakt so verfahren zu wollen.
Im dann folgenden Abarbeiten der festgelegten Themen ist es gerade auch mit dem Anwalt/der Anwältin auf der Gegenseite im Dialog ausgesprochen hilfreich, sich klassischer Mediationsphasen und -techniken zu bedienen. Man wird schnell erfahren, dass all dies dem wechselseitigen Verständnis und einer guten und zielführenden Kommunikation zuträglich ist:
Die Gegenseite im Gespräch aufzufordern, einmal darzulegen, weshalb eine bestimmte Position des (gegnerischen) Mandanten für diesen von Bedeutung ist, von welchen Interessen und Bedürfnissen sie getragen wird, kann ebenso hilfreich sein wie die Darlegung der entsprechenden Interessen und Bedürfnissen des eigenen Mandaten. Und wenn es dann auch noch gelingt, für die wechselseitigen Sichtweisen Verständnis aufzubringen, dann ist ein entscheidender Schritt des aufeinander Zugehens bereits geleistet. Vergleichbares gilt für den weiteren Gesprächsverlauf bei der Suche nach guten Lösungsoptionen: eine weitere Anleihe am Phasenmodell der Mediation, konkret der Optionenphase, kann durchaus hilfreich sein.
Und schließlich ist gut beraten, wer sich zudem bewährter Mediations- und Kommunikationstechniken wie bspw. dem aktiven Zuhören zu bedienen vermag: er wird schnell die Erfahrung machen, dass sich der gegnerische Anwalt nicht nur verstanden, sondern zudem auch in besonderem Maße ernst genommen fühlt. Gleiches gilt für den Einsatz spezifischer Fragetechniken wie der zirkuläre Frage, die immer dann, wenn Verhandlungen stocken, weiterführend eingesetzt werden kann.
Die Anwendung der beschriebenen Techniken, so meine Erfahrungen nicht nur in anwaltlichen Vergleichsgesprächen, sondern ebenfalls in schiedsgerichtlichen Verhandlungen, können als außerordentlich nutzbringend und zielführend beschrieben werden. In gleichem Maße gilt dies für Mandantengespräche und sonstige streitige Auseinandersetzungen. Das mag ein Grund dafür sein, dass viele anwaltliche Berufskollegen und -kolleginnen die Bedeutung der in einer Mediationsausbildung vermittelten Phasen, Methoden und Techniken für Güte und Erfolg von Verhandlungen wie der hier beschriebenen erkannt haben. Wenn sie sich daher für eine Mediationsausbildung entscheiden, so nicht nur meine persönlichen Erkenntnisse, sondern auch die bspw. der Ausbildungsleitung von adribo ACADEMY, dann steht für sie häufig weniger das Ziel im Vordergrund, selbst als Mediator tätig zu werden, sondern die Erkenntnis, zukünftig über qualifizierteres Handwerkszeug verfügen und dementsprechend besser und zielgerichteter verhandeln zu können.
Doch zurück zur anwaltlichen Vergleichsverhandlung:
Selbst wenn auch in einem solchen Verfahren eine weitere direkte Abstimmung mit den Mandanten im Laufe des Verfahrens erfolgen kann (und unter Umständen auch sollte), ist und bleibt die Gewinnung von tragfähigen Ergebnissen in einer solchen Vergleichsvermittlung ein schwieriger Prozess, gerade unter Berücksichtigung der durch das anwaltliche Standesrecht vorgegebenen Interessenbindung und Fürsorgepflicht für den jeweiligen Mandanten. Da kann es durchaus hilfreich sein, sich bereits im Vorfeld oder spätestens zu Beginn der Vergleichsverhandlungen dahingehend verständigt zu haben, nur nach außergerichtlichen Lösungen zu suchen – ähnlich der ebenfalls im „Handbuch Mediationsrecht“ ( S. 1069 ff) umfassend dargestellten Cooperativen Praxis, die sich durch eine verbindliche Verfahrensvereinbarung zur ausschließlichen außergerichtlichen Konfliktlösung auszeichnet.