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Teil 9: Akquise und Marketing in der Cooperativen Praxis: Haltung zeigen. Vertrauen wecken. Kooperation leben

Das Handbuch Mediationsrecht von Fritz / Pielsticker ist bekanntlich breit aufgestellt – nicht allein vom Umfang mit über 1300 Seiten, sondern vor allem von seinem Inhalt:

Da wären zum einen in den Abschnitten 1 bis 4 die umfassenden Kommentierungen der Vorschriften des Mediationsförderungsgesetzes, der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren, des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes und des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu nennen.

Und zum anderen in den Abschnitten 5 und 6 der qualitätsvolle Lehrbuchteil, der sich mit Methodik und Anwendungsbereichen der Mediation befasst und die anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung ausführlich darstellt.

Der vorliegende Beitrag von Beate Schneider-Koslowski – der neunte in einer Reihe von Abhandlungen, die die Inhalte des Handbuchs aufgreifen – befasst sich mit der Cooperativen Praxis –„CP“ – und thematisiert Akquise und Marketing. Ausführungen zu CP– ebenfalls bearbeitet von Beate Schneider-Koslowski – finden sich im Handbuch ab S. 1069 ff.

Hier nun der aktuelle Beitrag:

Akquise und Marketing in der Cooperativen Praxis: Haltung zeigen. Vertrauen wecken. Kooperation leben.

Die Cooperative Praxis (CP) findet in Deutschland – vor allem in Ballungsräumen -zunehmend Anerkennung und überzeugt als innovative Methode der Konfliktlösung. Und doch: Auch zwanzig Jahre nach ihrer Einführung ist CP noch nicht flächendeckend im professionellen Selbstverständnis von Anwältinnen, Mediatoren und psychosozialen Fachpersonen verankert. Die Zahl der qualifiziert ausgebildeten CP-Professionellen wächst – aber nicht alle haben regelmäßig Fälle. Nur wenige konnten ihre berufliche Praxis konsequent auf CP ausrichten und diese auch wirtschaftlich tragfähig gestalten. Woran liegt das?

Aus der Praxis zeigt sich: Das Interesse von Klienten und Mandantinnen ist da. Gerade im Vergleich zur klassischen Mediation wird das starke Potential zur Problemlösung als Mehrwert wahrgenommen, besonders wenn rechtliche Beratung Teil des Prozesses sein soll. CP-Anwälte steigen früh in den Fall ein, übernehmen Verantwortung für den Prozess, kooperieren auf der Verfahrensebene und geben als loyale Fürsprecher rechtliche Orientierung und parteiliche Unterstützung, ohne den kooperativen Geist zu gefährden.

Doch wie wird aus einem überzeugenden Konzept eine gelebte, erfolgreiche Praxis?

Akquise und Marketing in der Cooperativen Praxis beginnt nicht mit Werbung – sondern mit Haltung. Persönliches Marketing in der CP heißt: informieren statt überreden, zuhören statt belehren, Verbindung schaffen statt Eigeninteressen in den Vordergrund zu stellen. Das Vertrauen entsteht dort, wo Kompetenz und Klarheit auf eine Einladung zur Zusammenarbeit treffen – mit Mandanten und Klientinnen ebenso wie mit Kolleginnen und sonstigen potentiellen „Verweisern“.

Vier Schritte – von der inneren Haltung zur klaren Botschaft
1. Reflektieren

Wer bin ich als Peacemaker? Welche Werte tragen mich – persönlich und beruflich? Welche Erfahrungen haben mich geprägt? Was treibt mich an?
(„To create peace, we have to be peaceful.“ – Thich Nhat Hanh)

2. Analysieren

Was bringe ich mit? Welche Netzwerke, Ressourcen, Fähigkeiten kann ich nutzen – und wo möchte ich wachsen?

3. Formulieren

Was ist meine persönliche Botschaft? Warum ist Cooperative Praxis gerade jetzt relevant? Was ist der konkrete Nutzen für die Zielgruppe – ob Familien, Unternehmer oder Teams?

4. Positionieren

Ob Website, Workshop oder zufällige Begegnung im Aufzug: Wie und wo werde ich sichtbar – mit einer authentischen Stimme?

Der Anfang zählt: Verfahrensberatung als Schlüssel zur Kooperation

Ein gelungener Start ist entscheidend – insbesondere in der kooperativen Konfliktbearbeitung. Im offenen Erstgespräch legen vor allem CP-Anwältinnen mit einer fundierten, ergebnisoffenen Verfahrensberatung die Weichen. Dabei steht nicht das Verfahren, sondern das Interesse der Beteiligten im Fokus: Was passt wirklich zu ihren Bedürfnissen und ihrer Motivation?

Für Anwälte ist eine solche Beratung nicht nur sinnvoll, sondern gemäß § 1 Abs. 3 BORA verpflichtend – inklusive Aufklärung über alternative Verfahren wie Mediation und Cooperative Praxis (CP). In der Praxis haben sich strukturierte Einstiegsfragen und optional eingesetzte Mandantenfragebögen bewährt. Eine bildhafte, verständliche Sprache hilft, Vertrauen zu schaffen und Interesse zu wecken.

Die Erfahrung zeigt: CP-Fälle entstehen häufig aus der Verfahrensberatung engagierter Anwältinnen, die mit ihrem lokalen Netzwerk kooperieren. Doch auch nicht-juristische Fachpersonen können Impulsgeber sein – wie interdisziplinäre Pools aus der Praxis beweisen. Dieses Potenzial wird bislang allerdings nur marginal genutzt.

Ein häufiges Hindernis bleibt die Einbindung des Konfliktpartners. Hier können Infomaterial, gut verständliche Schreiben oder – je nach Situation – psychosoziale Fachpersonen unterstützend wirken. Auch gemeinsame Erstgespräche können sinnvoll sein, wenn die Rollen klar definiert sind.

Am Ende sind es Haltung, Transparenz und echtes Interesse am Gegenüber, die den Weg für eine kooperative Lösung ebnen.

Die 5 P des CP-Marketings

Die authentische Haltung im Erstgespräch ist aber nicht alles. Der Aufbau einer persönlichen CP-Praxis lässt sich durchaus auch strategisch gestalten. Orientierung bietet das Modell der „5 P“ des Cooperative Praxis Marketings:

1. Pitch – Die Botschaft auf den Punkt bringen

Ein guter Pitch ist wie ein Kompass: Er zeigt bildhaft, wofür man steht – kurz, prägnant und einladend. Er ist mehr als eine Kurzrede. Er ist der kristallisierte Ausdruck dessen, was die Person ausmacht – als Person und Professional. Er spricht Kopf und Bauch an. Besonders in frühen Phasen der CP-Tätigkeit – oder im Kontakt mit neuen Zielgruppen – ist es hilfreich, den eigenen CP- Pitch für unterschiedliche Adressatengruppen vorbereitet zu haben: ein kurzer Einstieg, der Neugier weckt und Gesprächsbereitschaft fördert. Ein guter Pitch ist flexibel – ob „Cocktail Pitch“, „Professional Pitch“ oder „Quick Pitch“: Er beinhaltet Worte, die tragen und wirken.

Beispiele für griffige CP-Pitches – Familienrecht:

🟢 „Statt Rosenkrieg ein runder Tisch: In der Cooperativen Praxis finden getrennte Eltern gemeinsam tragfähige Lösungen – mit rechtlicher, psychologischer und finanzieller Kompetenz an einem Tisch.“

🟢 „Cooperative Praxis heißt: Kein Gegeneinander mehr, sondern ein strukturiertes Miteinander – juristisch, menschlich und lösungsorientiert.“

🟢 „Eine cooperative Scheidung bedeutet: Gemeinsam tragfähige Brücken statt juristischer Mauern auf dem Weg zur Lösung auf Augenhöhe bauen.“

🟢 „Eine Scheidung mit Cooperativer Praxis heißt: Sich kooperativ zu trennen und zu einigen, ohne die Familie und die Finanzen zu zerschlagen.“

Weitere Kontexte:

🟢 „In einem Cooperative Praxis-Verfahren mit professioneller Hilfe statt „Ich gegen Dich“ – im Sinne von „Wir gegen das Problem“ gemeinsam arbeiten.

🟢 „Unternehmen übergeben nicht nur Verträge – sondern Verantwortung. Cooperative Praxis bietet einen klaren Rahmen für Übergaben mit Respekt und Weitblick.“

🟢 „Ich begleite Unternehmerfamilien dabei, ihre Konflikte zu lösen, ohne ihre Firma oder Beziehungen zu verlieren.“

🟢 „Ich bin Anwalt, aber nicht fürs Gewinnen auf Kosten anderer, sondern für Verständigung und das Finden tragfähiger Lösungen auf Augenhöhe.“

Pitches bleiben nach der AIDA-Formel vor allem dann haften, wenn sie Aufmerksamkeit erzeugen (Attention), Interesse wecken (Interest), den Nutzen für den Empfänger verdeutlichen (Desire) und eine Handlung folgen lassen (Action).

2. Profil – Persönlichkeit sichtbar machen

Ein stimmiges Profil transportiert Haltung und Professionalität. Dazu gehören konsistente Inhalte auf der Website, aussagekräftige Texte zu Arbeitsweise und Angebot, klare Sprache, ein passendes visuelles Konzept – und ein authentisches Bild der Person, die dahintersteht. Die eigene Marke ist dabei keine Inszenierung, sondern die konsequente Umsetzung dessen, was man fachlich und menschlich bietet.

Auch Mitarbeitende sollten über CP geschult sein – sie sind oft die erste Stimme, die potenzielle Mandantinnen und Mandanten hören.

3. Publizieren – Kompetenz zeigen

Wer publiziert, positioniert sich. Veröffentlichungen, Fachbeiträge, Blogposts oder kurze Erklärvideos vermitteln nicht nur Fachwissen, sondern auch Haltung und Stil. Sichtbar werden kann man auf vielfältige Weise – in Social Media ebenso wie im Kanzleirundbrief, im Fachmagazin, Netzwerk-Flyern oder als Impulsgeber:in auf Veranstaltungen.

KI-basierte Tools können hierbei unterstützen – ersetzen aber nicht die persönliche Sprache.

4. Präsentieren – Menschen erreichen

Die beste Methode, CP bekannt zu machen? Erzählen, zeigen, zuhören. Ob im Kolleginnenkreis, im Netzwerk psychosozialer Fachpersonen, in Elterngruppen, beim Fachtag Familienrecht oder in Unternehmernetzwerken – überall dort, wo Fragen zur Trennung, Nachfolge oder ganz allgemein „fairen“ Konfliktlösung auftauchen und gleichzeitig das Aufrechterhalten persönlicher Beziehungen eine besondere Rolle spielt, kann CP eine echte Alternative bieten. Vorausgesetzt: Die Präsentation ist verständlich, klar strukturiert und zielgruppenbezogen.

Bewährt haben sich nicht Standardpräsentationen – sondern flexible Module, angepasst an Zielgruppe und Kontext. Visualisierung, Praxisbeispiele und persönliche Haltung machen den Unterschied.

5. Partner – Netzwerk gestalten

CP lebt von Zusammenarbeit. Kein Verfahren ohne Team – keine Fälle ohne kollegiale Netzwerke. Jede Form von Sichtbarkeit stärkt nicht nur die eigene Praxis, sondern das gesamte Netzwerk. Persönliches Marketing ist deshalb nicht bloß Akquise – es ist gelebte Kooperation. Wer CP praktiziert, ist automatisch Netzwerkgestalter. Zentrale Elemente: regelmäßiger Austausch mit CP-Kolleginnen, Beteiligung an interdisziplinären Formaten, aktive Ansprache potenzieller „Verweiser“ (z. B. Familienberatungen, Ärzte, Steuerberaterinnen), aber auch das Engagement in Verbänden und Vereinen oder Fortbildungsnetzwerken.

Kooperation ist die beste Werbung.“ – Wer mit anderen kooperiert, wird empfohlen.
Regional verwurzelt – individuell abgestimmt

CP-Marketing braucht Fingerspitzengefühl: Was in Köln begeistert, mag in Hamburg befremden. Authentizität, kulturelle Passung und ein Verständnis für regionale Besonderheiten sind essenziell. Ein professionelles, aber kein uniformes Auftreten schafft Wiedererkennung – und Vertrauen.

Qualität überzeugt

Glaubwürdiges Marketing ruht auf einem soliden Fundament: vor allem eine fundierte Ausbildung in Cooperative Praxis gemäß den internationalen Standards und Ethics der International Academy for Collaborative Practitioners (IACP) und eine solide Ausbildung in Mediation oder mediativen Grundlagenkenntnissen, regelmäßige Fortbildungen, Intervision und Supervision – und die konsequente Arbeit an einer Best Practice und Qualitätssicherung im Netzwerk. Die eigene Qualifikation ist dabei nicht nur ein Nachweis nach außen – sondern Teil des Qualitätsversprechens an die Mandanten. Das ist mehr als Werbung. Das ist Integrität.

Der Anfang ist die Haltung und die Ausbildung: mit professionellen Tools für Verständigung statt Eskalation, für tragfähige Lösungen statt Siegen und Verlieren arbeiten. Und doch: Mandanten, Kolleginnen oder Netzwerkpartner müssen auch zueinander finden.

Cooperative Praxis lebt vom Vertrauen. Und Vertrauen beginnt mit Sichtbarkeit.
Deshalb ist Marketing in der Cooperative Praxis kein Widerspruch, sondern Ausdruck professioneller Klarheit und Haltung professioneller Wegbegleiterinnen in konfliktgeladenen Zeiten.

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