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Live-Online-Präsenzunterricht Neue Konzepte in der Mediationsausbildung

Die überwiegend im Herbst jeden Jahres neu beginnenden „Ausbildungslehrgänge zum Zertifizierten Mediator“ sind Anlass und Gelegenheit zugleich, einen kritischen Blick auf die abgelaufene Ausbildungssaison zu werfen. Diese war bekanntlich von den der Pandemie und dem lock-down zum Opfer gefallenen face2face Terminen geprägt bei gleichzeitiger paralleler Entwicklung und (späterer) Umsetzung von Hygienekonzepten für die Ausbildung. Zudem wurden neue Wege beschritten und verstärkt auf Live-Online-Präsenzunterricht gesetzt. Ob letzterer allerdings den Anforderungen der ZMediatAusbV entspricht, wird nicht allgemein bejaht – zu Unrecht allerdings, wie noch im Einzelnen darzulegen sein wird. Doch zunächst zum Rückblick auf die Ausbildungsperiode 2019/2020.

 

Rückblick

Die von adriboACADEMY in Kooperation mit anderen Ausbildungsträgern angebotenen und durchgeführten Ausbildungslehrgänge konnten allesamt, wenn auch mit zeitlichen Verzögerungen, zu Ende geführt werden.  Die Verzögerungen ergaben sich aus den Beschränkungen der hessischen Corona-Verordnungen, die erst wieder ab Juni 2020 die Möglichkeit eines face2face Unterrichts bei strengen Vorgaben vorsahen. Umfangreiche Hygienekonzepte mussten erarbeitet, auf ihre Praxistauglichkeit hin überprüft und sodann mit den Ausbildungsteilnehmern umgesetzt werden. Zudem waren intensive und auf die individuellen Besonderheiten eingehende terminliche Abstimmungen mit allen Teilnehmenden erforderlich, zumal diese sich zu Beginn ihrer Ausbildung auf die vor der Pandemie bekanntgegebenen Termine eingestellt hatten.

Eine kurzfristige Umstellung von analoger auf virtuelle Unterrichtung war hingegen nur in bestimmten, auf konkrete Wissensvermittlung abstellenden Bereichen wie bspw. „Recht und Mediation“, „Nachfolge in Familienunternehmen“, „Wertearbeit“ etc. möglich. Dies war zum Einen dem Wunsch der Teilnehmenden nach face2face Ausbildung geschuldet und beruhte zum Anderen darauf, dass sich eine 1 zu 1  Umsetzung realer Unterrichtung in ein Online-Format nicht anbot und für eine umfassende qualitätsvolle Angleichung der Ausbildungsinhalte nicht hinreichend Zeit zur Verfügung stand.

 

Zukünftige Mediationsausbildung in Zeiten der Pandemie

Es bedarf keiner prophetischer Gaben um zu konstatieren, dass über die nunmehr beginnenden Ausbildungslehrgänge hinaus bis weit ins Jahr 2021 hinein (und mit großer    Wahrscheinlichkeit  auch   noch  länger ) Ausbildungskonzepte,   die   allein   auf Unterricht mit realen, persönlichen Kontakten setzen, immer wieder mit  Schwierigkeiten konfrontiert sein werden, wie sie eingangs für den Ausbildungsbereich im ersten Halbjahr 2020 beschrieben wurden. Warum jedoch fällt es vielen Ausbildungsinstituten schwer, sich vom analogen Lehren zu entfernen und sich stattdessen der neuen Möglichkeiten des Live-Online-Präsenzunterrichts zu bedienen die das Internet bietet?

 

Umstellungsprobleme bei Online-Ausbildungs-Formaten

Mehrere Gründe dürften dafür verantwortlich sein:

Dazu zählen sicherlich die Schwierigkeiten, die mit einer Umstellung auf  technische Neuerungen verbunden sind, obgleich mittlerweile leicht zu handhabenden Formate wie bspw. Zoom zur Verfügung stehen. Es kommt hinzu, dass trotz der Corona bedingten Zunahme von Online-Mediationen[1] faktisch die weit überwiegende Zahl von Mediationen noch immer face2face durchgeführt werden (und nach Überzeugung der Verfassers dies auch in Zukunft weiterhin der Fall sein wird) und von daher die Ausbildung entsprechend ausgerichtet sein sollte.  Schließlich ist der Umstand in den Blick zu nehmen, dass die Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung in ihrem § 2 Absatz 4 ZMediatAusbV davon spricht, dass die Ausbildung 120 Präsenzzeitstunden betragen müsse und Unsicherheit darüber besteht, ob ein Online-Angebot dieser Vorgabe gerecht wird. Der letzten Punkt soll im Folgenden näher untersucht werden.

 

Das Erfordernis der „Präsenzzeitstunden“

Das Tatbestandsmerkmal „Präsenzzeitstunden“, erst kurz vor Veröffentlichung der ZMediatAusbV im August 2016 in die Verordnung aufgenommen, wurde vor Ausbruch der Corona-Pandemie im juristischen Schrifttum überwiegend dahingehend diskutiert, ob hierunter auch Fernunterricht herkömmlicher Ausrichtung sowie Selbst- und Eigenstudium gerechnet werden könnten. Dies wurde zutreffender weise verneint.[2] Zur Online-Ausbildung äußerten sich die einschlägigen Zeitschriftenbeiträge und Kommentare eher nicht.

 

Pro und Contra im juristischen Schrifttum zur Online-Ausbildung

In jüngster Zeit jedoch findet sich auf der renommierten Seite www.mediatorenausbildung.org ein Beitrag von  Martin Fries[3], der sich mit der Online-Ausbildung zum zertifizierten Mediator auseinandersetzt und die Auffassung vertritt, Online-Ausbildungen seien einem Fernstudium gleichzusetzen und deshalb im Hinblick auf § 2 Abs. 4 ZMediatAusbV unzulässig. Wer eine Online-Ausbildung  zum zertifizierten Mediator absolviert habe, die weniger als 120 Zeitstunden physischer Präsenz an einem gemeinsamen Ausbildungsort enthalte, dürfe die Bezeichnung als zertifizierte(r) Mediator(in) im Zweifel nicht führen.

 

Diese Meinung von Fries steht allerdings im Widerspruch zur aktuellen Kommentierung des § 2 ZMediatAusbV im unlängst in 2. Auflage erschienenen und von Fritz/Pielsticker herausgegebenen „Handbuch zum Mediationsgesetz“[4] sowie zum umfassenden Beitrag von Wulfmeyer in Heft 80/2020 der Zeitschrift Spektrum der Mediation[5].

 

Während im „Handbuch zum Mediationsgesetz“ kurz und prägnant ausgeführt wird, Präsenzeitstunden könnten auch Online durchgeführt werden, solange die Präsenz der Teilnehmer sichergestellt sei[6], befasst sich Wulfmeyer ausführlich mit den Begrifflichkeiten Präsenzstudium und Fernstudium, zieht das Fernunterrichtsschutzgesetz heran, bedient sich der einschlägigen juristischen Auslegungsmethoden, rekurriert auf eine Antwort der Bundesregierung[7] auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion[8] und gelangt zu dem Ergebnis, dass Live-Online-Unterricht kein Fernunterricht im Sinne des Gesetzes sei und daher im Umkehrschluss als Präsenzunterricht zu gelten habe.

 

Interaktive und direkte Kommunikation entscheidend

Dem ist beizupflichten! Dem Verordnungsgeber ging es mit der Einfügung des Wortes Präsenzzeitstunden ersichtlich darum, einen persönlichen Kontakt des Auszubildenden mit dem Ausbilder aus Gründen der Qualitätssicherung zu verlangen[9]. Ein solcher findet zweifellos in der herkömmlichen analogen Präsenzausbildung vor Ort statt, kann aber auch ohne weiteres in einen virtuellen Raum verlegt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass eine synchrone,  interaktive und direkte audiovisuelle Kommunikation zwischen Trainer und Ausbildungsteilnehmer sichergestellt ist, die Sprache, Mimik und Gestik einbezieht.

Neuere Plattformen wie bspw. Zoom stellen hierfür das notwendige technische Equipment zur Verfügung: Ein  Lehrender kann somit nicht nur Wissensvermittlung einschließlich Plenumsdiskussionen unter Einschluss aller Teilnehmenden durchführen, sondern auch die eine Mediationsausbildung charakterisierenden Kleingruppenarbeiten, Übungen und Rollenspiele mit unmittelbarem Feedback durch den Trainer. Und er kann überprüfen, ob die Teilnehmer die gesamte Zeit über anwesend waren.

 

Vergleichbare Regelungen in FAO und im AFBG

Der vorliegende Befund wird gestützt durch einen Blick auf vergleichbare gesetzliche Regelungen.

So sieht auch § 15 Absatz 2 der Fachanwaltsordnung (FAO) die Möglichkeit vor, eine Fortbildungsveranstaltung nicht in realer Präsenzform durchzuführen sondern in virtueller Form, sofern denn die Möglichkeit der Interaktion des Referenten mit den Teilnehmern sowie der Teilnehmer untereinander sichergestellt ist und ein entsprechender Nachweis der durchgängigen Teilnahme erbracht wird.

 

Und auch das Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz- AFBG) führt in seinem § 2 Absatz 4  als förderfähige Unterrichtsstunden solche an, die in physischen und virtuellen Präsenzlehrveranstaltungen durchgeführt werden. Was darunter zu verstehen ist, ergibt sich aus der Begründung des Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes[10] und den hierzu ergangenen bundeseinheitlichen Auslegungskriterien. Dort heißt  es u.a.

 

„I. Präsenzlehrveranstaltungen setzen die gleichzeitige Anwesenheit von Lehrenden und Lernenden „an einem Ort“ und damit die synchrone kommunikative Wissensvermittlung voraus.

 

  1. Dies wird ohne weiteres durch die gemeinsame körperliche Präsenz von Lehrendem und Lernenden an einem Ort („Klassenzimmer“ oder sonstiger Unterrichtsort) erfüllt.

 

III. Präsenzlehrveranstaltungen erfordern allerdings nicht zwingend eine körperliche Präsenz an einem physischen Ort. Auch ein „virtuelles Klassenzimmer“ kann unmittelbar die Voraussetzungen für Präsenzunterricht erfüllen. Es muss dazu aber, um unmittelbar als Präsenzunterricht gezählt werden zu können,

  1. die wesentlichen Interaktionsformen des Unterrichts in einem physischen Klassenzimmer zwischen Lehrendem und Lernenden sowie zwischen Lernenden untereinander ermöglichen,
  2. eine vergleichbare Erfassung der Teilnahme sicherstellen und
  3. eine dem physischen Präsenzunterricht vergleichbare zahlenmäßige Relation von Lehrenden und Lernenden bieten.“

 

Fazit

Mag es  für Ausbildungsinstitute auch zukünftig durchaus gute Gründe geben, die Mediationsausbildung zumindest überwiegend als Lehrveranstaltung in gemeinsamer körperlicher Präsenz durchzuführen, so steht jedenfalls die Vorschrift des § 2 Abs. 4 ZMediatAusbV einem Live-Online-Präsenzunterricht, sofern denn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt werden,  einer Anrechnung auf die geforderten 120 Stunden Ausbildung nicht entgegen.

 

 

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[1] Vgl. hierzu Gläßer/Sinemillioglu/Wendenburg, Online Mediation, ZKM 2020, 80 ff., 133 ff.; Rickert, Live-Online-Mediation – eine Zukunftstrend?, Konfliktdynamik 2019 (Heft 1), S. 64 ff.; ferner Fritz,  Videokonferenzen – Was Mediatoren beachten sollten!,

https://adribo.de/videokonferenzen-was-mediatoren-beachten-sollten/ (Datum des Zugriffs: 4.10.2020); sowie ders., Mediationen in Zeiten von Corona, https://adribo-academy.de/mediation-in-zeiten-von-corona/ (Datum des Zugriffs: 4.10.2020).

[2] Vgl. nur Röthemeyer, Die Zertifizierung nach der ZMediatAusbV,  ZKM 2016, 195 ff;   Rennebarth,  Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren nach der ZMediatAusbV unter Berücksichtigung des Evaluationsberichts zum Mediationsgesetz, DStR 2017, 1843 ff.;  Plassmann, >Zertifizierung light< – Verbraucher und Mediatoren in der Zertifizierungsfalle?, AnwBl. 2017, 26 ff.;     Klowait/Gläßer, MediationsG, 2. Aufl., 2019, § 2 ZMediatAusbV Rdn. 3;     Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., 2019, § 2 ZMediatAusbV Rdn. 13.

[3] Fries, Online-Ausbildung zum Zertifizierten Mediator?, https://www.mediatorenausbildung.org/online-ausbildung-zum-zertifizierten-mediator-praesenzzeitstunden/ (Datum des Zugriffs: 4.10.2020)

[4] Vgl. nur https://adribo.de/ein-schwergewicht/ (Datum des Zugriffs: 4.10.2020)

[5] Wulfmeyer, Mediationsausbildung in Zeiten des digitalen Wandels, Spektrum der Mediation 80/2020, S. 19 ff.

[6] Fritz/Pielsticker, Handbuch zum Mediationsgesetz, 2. Aufl., Köln 2020, § 2 ZMediatAusbV Rdn. 35.

[7] BT-Drucks. 19/14014

[8] BT-Drucks. 19/13672

[9] Eicher, Die neue Zertifizierungs-Verordnung,  ZKM 2016, 160 ff.

[10] BT-Drucks.19/15273 vom 18.11.2019, S.  23 f

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