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Mediationsausbildung – bald neu?

Am 15. November 2021 fand die letzte Veranstaltung des vom BMJV organisierten und durchgeführten Online-Erfahrungsaustausches über aktuelle Fragen der Mediation statt.1 Im Mittelpunkt stand ein Diskussionspapier zur Änderung der Zertifizierten Mediatoren-Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV), das im Frühjahr 2022 in einen Referentenentwurf einmünden soll.

Nach gegenwärtigem Stand2 sind folgende Veränderungen geplant:

1. Verzicht auf strenge Vorgaben bzgl. der (Einzel-)Supervision

2. Umstellung des Zertifizierungssystems: Implementierung der Praxisfälle in die

Ausbildung

3. Digitalkompetenz und Onlinemediation als Ausbildungsinhalte

4. Klarstellung des Begriffs „Präsenzzeitstunden

Was ist danach im Einzelnen zu erwarten?

Zu 1.

Der in der Ausbildungsverordnung verwendete Begriff der Einzelsupervision führte von Beginn an zu Irritationen und erwies sich als auslegungsbedürftig.3 Er war seinerzeit im Referentenentwurf nicht vorgesehen gewesen (dort war entsprechend der Ermächtigungsnorm des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 MedationsG noch von „Supervison“ die Rede) und erst im Zuge der Ausformulierung der Verordnung in das Regelwerk eingeführt worden.

Ausgehend von Sinn und Zweck der Norm lässt sich jedoch unschwer erschließen, dass es entscheidend darauf ankommen soll, dass eine von dem Ausbildungsteilnehmer selbst durchgeführte Mediation oder Co-Mediation Inhalt des Supervisionsgesprächs ist. Eine Supervision – also die durch einen erfahrenen Dritten (den Supervisor) begleitete und unterstützte Selbstreflexion erlebter Situationen und erlebten Verhaltens der eigenen Berufstätigkeit als Mediator mit dem Ziel einer Verbesserung, einer Neuorientierung – muss daher stets auf einen konkreten Einzelfall des Supervisanden ausgerichtet sein. Der Begriff der Einzelsupervision ist dementsprechend als Einzelfallsupervision zu verstehen.4

Ausgehend von diesem Verständnis tritt die Frage des Setting – nämlich der Durchführung der Supervision als „Einzel(fall)supervision im Rahmen einer Gruppe“ nach den Prinzipien der mediationsanalogen Supervision oder als „Einzel(fall)supervision zu zweit“ – in den Hintergrund, solange denn sichergestellt ist, dass die Supervision eine „im Anschluss an eine als Mediator … durchgeführte Mediation“ (vgl. § 2 Abs. 5 ZMediatAusbV) betrifft.5

Gleichwohl ist es zu begrüßen, wenn im Rahmen der angekündigten Novellierung eine Klarstellung im Sinne der obigen Ausführungen erfolgen soll, dass (Einzel-)Supervisionen auch im Rahmen von Gruppengesprächen möglich sind.6

Zu 2.

Ebenfalls heftig umstritten ist das System der faktischen Selbstzertifizierung, das durch die ZMediatAusbV eingeführt wurde. Zwar sprachen sich gewichtige Stimmen im Schrifttum schon im Hinblick auf die Ermächtigungsnorm des § 6 MediationsG für eine staatliche Zertifizierungsstelle aus,7 jedoch hatte der Verordnungsgeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Und der Versuch von Verbänden und Kammern, eine Zertifzierungsstelle auf freiwilliger Basis zu schaffen, scheiterte ebenfalls.8

Nunmehr erwägt das BMJV, die Ausbildung stärker zu kontrollieren und mit dieser Kontrolle die Ausbildungsinstitute zu betrauen. Dies könnte nach den bisherigen Überlegungen dergestalt geschehen, dass die gem. § 4 ZMediatAusbV bislang nach Abschluss des Ausbildungslehrgangs geforderten vier Mediationen und vier Supervisionen in die Ausbildung integriert werden. Die Ausbildungsinstitute würden dann das Vorliegen der Voraussetzungen kontrollieren und hierüber entsprechend § 2 Abs. 6 ZMediatAusbV eine Bescheinigung erstellen. Diese Bescheinigung, so das BMJV, sollte konstitutiv sein. Zudem könnte den Ausbildungsinstituten die Überprüfung der Fortbildungsverpflichtung nach § 3 ZMediatAusbV (40 Stunden Fortbildung binnen vier Jahren) übertragen werden.9

Ob diese Überlegungen eine geeignete Vorgehensweise darstellen, um die Kritik an der Selbstzertifizierung auszuräumen, darf bezweifelt werden. Zwar ist der Ansatz zutreffend, die vier Supervisionen nach § 4 ZMediatAusbV der Ausbildung zuzurechnen, handelt es sich doch faktisch um Anforderungen, die eng mit der Ausbildung verbunden sind.10 Allerdings gab und gibt es keine Kriterien, die für Aus- und Fortbildungsinstitute konstituierend sind, obgleich doch der Verordnungsgeber auch insoweit hätte tätig werden können (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1, 2. HS MediationsG).11

Einer von den Aus- und Fortbildungsinstituten unabhängigen Stelle die Aufgabe zu übertragen, das Vorliegen der Voraussetzungen für das Führen des Gütesiegels „Zertifizierter Mediator“ zu überprüfen, sollte daher nach wie vor der Vorzug unabhängig von der nunmehr angedachten Lösung gegeben werden. 12

Zu 3.

Nachdem durch die COVID-19-Pandemie deutlich geworden ist, welche Bedeutung der Nutzung von Online-Tools zuzumessen ist,13 soll die Kenntnis hierüber zukünftig in die Ausbildung integriert werden. Angedacht ist, den bisherigen Ausbildungsumfang von 120 Präsenzzeitstunden um die Lehrinhalte „Digitalkompetenz und Onlinemediation“ im Umfang von zehn Ausbildungsstunden zu erweitern.14

Zu 4.

Soweit die Ausbildungsverordnung in ihrem § 2 Abs. 4 Satz 1 ZMediatAusbV eine Ausbildungsdauer von 120 Präsenzzeitstunden vorsieht, ist ebenfalls im Zusammenhang mit dem durch die COVID-19-Pandemie verursachten Lockdown die Frage aufgetaucht, was unter Präsenz im Kontext der Ausbildung zu verstehen ist. Erfordert dies körperliche (physische) Präsenz von Trainer und Ausbildungsteilnehmer in einem Raum? Oder kann von Präsenzunterricht auch gesprochen werden, wenn sich Trainer und Ausbildungsteilnehmer in einem virtuellen Raum treffen und durch technische Gegebenheiten sichergestellt ist, dass die Anwesenheit garantiert ist und eine Interaktion zwischen Teilnehmer und Trainer einerseits als auch zwischen den Teilnehmern untereinander jederzeit erfolgen kann? Wenn letzteres der Fall ist, dann spricht nichts dagegen, eine derartige Vorgehensweise bzw. eine so organisierte Ausbildung der Begrifflichkeit Präsenzzeitstunden unterfallen zu lassen.15 Dass es dennoch wünschenswert ist, den für eine erfolgreiche Ausbildung doch so wichtigen Kontakt insbesondere bei Übungen und Rollenspielen möglichst in körperlicher (physischer) Präsenz zu ermöglich, steht dabei allerdings außer Frage.

Ausgehend hiervon strebt das BMJV einen Mittelweg an, indem es den Ausbildungsinstituten die Möglichkeit einräumen will, einen Anteil von maximal 20 % der Lehrhinhalte online zu vermitteln, wozu auf jeden Fall die oben unter 3. beschriebene Digitalkompetenz und Onlinemediation zählen sollen.16

Wünschenswert wäre es hingegen, wenn die vorgesehene Limitierung der Online-Ausbildung sich nicht an prozentualen Vorgaben orientieren würde (zumal 20 Prozent, davon 10 Stunden Digitalkompetenz und Onlinemediation, gerade auch in Pandemiezeiten, in denen es gilt, Hygienevorgaben zu entsprechen, als deutlich zu gering zu erachten sind und zumindest auf 40 % erhöht werden sollten)17, sondern an den Ausbildungsinhalten, wie sie in der Anlage zur ZMediatAusbV beschrieben sind. Denn fast alle Ausbildungsinhalte enthalten theoretische Anteile, die unschwer Online vermittelt werden können, während Übungen und Rollenspielen wegen des besseren Lernerfolges eher in körperlicher (physischer) Präsenz – face2face – durchgeführt werden sollten.

Ausblick: adribo Academy bietet Mediationsausbildungen u.a. in Zusammenarbeit mit der HERA – FortbildungsGmbH der Hessischen Rechtsanwaltschaft – an. Digitalkompetenz und Onlinemediation zählen bereits aktuell zum Ausbildungsinhalt. Auch die übrigen vorgesehenen Veränderungen werden umgehend in das Ausbildungsprogramm aufgenommen werden, sobald sie rechtsverbindlich in der ZMediatAusbV integriert sein werden.

Der nächste Ausbildungslehrgang zum Zertifizierten Mediator startet am 17. November 2022; Einzelheiten zur Ausbildung und zur Anmeldung finden Sie hier.

 

Anmerkungen:

1
Siehe auch die Empfehlungen zur Regelung der Qualitätssicherung und -kennzeichnung von Mediationsangeboten der BRAK vom Januar 2021 unter https://www.brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2021/januar/stellungnahme-der-brak-2021-6.pdf

2
BMJV, Diskussionspapier, S. 1 ff

3 Vgl. nur Eicher, ZKM 2016, 160 ff (161); Wenzel, Spektrum der Mediation 66/2017, 46 ff (48); Eidenmüller / Fries, AnwBl 1/2017, 23 ff (25).

4 Fritz/Krabbe, (Einzel-)Supervision für zertifizierte Mediatoren, ZKM 2017, 89.

5 Fritz/Pielsticker, Handbuch zum Mediationsgesetz, Teil 2, § 2 ZMediatiAusbV, Rdn. 39 ff.

6 BMJV, Diskussionspapier, S. 1.

7 Fritz/Pielsticker, Handbuch zum Mediationsgesetz, Teil 1, § 6 MediationsG, Rdn. 40.

8 Fritz/Pielsticker, Handbuch zum Mediationsgesetz, Teil 1, § 6 MediationsG, Rdn. 39; vgl. ferner die Stellungnahme der BRAK, oben Fn. 1.

9 BMJV, Diskussionspapier, S. 1.

10 Die für § 4 ZMediatAusbV gewählte Überschrift „Fortbildung“ ist irreführend, handelt es sich doch vielmehr um eine Verifizierung der in der Ausbildung erlernten Inhalte und Fähigkeiten und mithin um einen (endgültigen) Abschluss der Ausbildung, Fritz/Pielsticker, Handbuch zum Mediationsgesetz, Teil 2, § 4 ZMediatAusbV, Rdn. 2.

11 Fritz/Pielsticker, Handbuch zum Mediationsgesetz, Teil 1, § 6 MediationsG, Rdn. 31.

12 Siehe auch die Stellungnahme der BRAK, oben Fn. 1.

13 Vgl. hierzu Erdmann, https://adribo.de/mediation-quo-vadis-ein-zwischenruf/ und Etscheit, https://adribo.de/perspektive-in-coronazeiten-chancen-der-online-mediation-eine-erwiderung/ ferner Fritz, https://adribo-academy.de/neue-konzepte-mediationsausbildung/

14 BMJV, Diskussionspapier, S. 2

15 So schon Fritz, https://adribo-academy.de/neue-konzepte-mediationsausbildung/ ;vgl. ferner Hilgard, Buchbesprechung, NJW 2021, 530.

16 BMJV, Diskussionspapier, S. 2.

17 Fritz, https://adribo.de/adribo-academy-veranstaltungsprogramm-2022-frankfurt-muenchen-berlin/

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