Nach oben scrollen
© 2019, adribo Academy     |     urid

Praxistipps für angehende Mediatoren: Vorbereitendes Einzelgespräch in Scheidungsmediationen

Auf die Bedeutung von Einzelgesprächen wurde unlängst unter Aktuelles bereits in dem Beitrag Einzelgespräche bei Trennung und Scheidung zur Reduzierung Covid-19 bedingten Stresses vom 7. September 2020 hingewiesen.¹ Die heutige Veröffentlichung widmet sich der Frage, wie die Konfliktparteien im Einzelgespräch auf das gemeinsame Mediationsverfahren vorbereitet werden können damit sie wissen, was sie von der Mediation erwarten dürfen.

 

> Warum überhaupt Mediation?

Trennungspaare, die sich auf eine Mediation einlassen, sollte bewusst sein, dass es um Regelungen für die Zukunft geht, nicht um Aufarbeitung der Gründe für das Scheitern der Beziehung. Letzteres kann in der Paartherapie geschehen. In der Mediation hingegen wird davon ausgegangen, dass die Vergangenheit Vergangenheit ist – wenngleich sie natürlich in die Gegenwart ausstrahlt – und dass nunmehr eine gütliche und zukunftsorientierte Scheidungsvereinbarung erarbeitet werden soll. Für die Mediation streitet zudem, dass sie billiger ist als ein gerichtliches Verfahren (was auch gilt, wenn Rechtsanwälte an der Mediation teilnehmen), dass sie weniger Zeit in Anspruch nimmt und dass die Konfliktparteien das Ergebnis selbst beeinflussen können, während dieses im Gerichtsverfahren in den Händen des Richters liegt. Darüber sollten sich Trennungspaare im Klaren sein und sich dementsprechend engagieren, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden.

 

> Wofür ist der Mediator da?

Häufig verwechseln Parteien die Rolle des Mediators mit der eines Schlichters und erwarten von ihm Vorschläge, wie denn der Konflikt zu lösen sei. Das ist eine fehlerhafte Sicht: Der Mediator ist weder Schlichter noch Richter, sondern ein allparteilicher, d.h. für beide Konfliktparteien sich engagierender Dritter. Er steht weder auf der einen Seite noch auf der anderen, sondern ist allein einem professionellen Verfahren verpflichtet:  Er sorgt dafür, dass die Parteien in einem zielgerichteten und wertschätzenden Gespräch bleiben und dass die jeweiligen Interessen und Bedürfnisse deutlich werden, aber auch von der anderen Konfliktpartei gesehen werden. Von daher stellt es auch keine Missachtung einer Partei dar, wenn der Mediator vergangenheitsorientiertes Vorbringen in zukunftsgerichtete Thematiken umlenkt.

 

Die Parteien müssen darauf vertrauen, dass der Mediator dafür sorgt, dass jeder hinreichend zu Wort kommt – das gilt auch, wenn es gelegentlich schwer fallen sollte, den Ausführungen der Gegenseite zuzuhören. Darin liegt der tiefere Sinn, wenn zu Beginn des gemeinsamen Verfahrens Gesprächsregeln erarbeitet werden, zu denen regelmäßig gehört, dass man sich ausreden lässt. Von daher sollten sich Trennungspaare darüber im Klaren sein, dass Unterbrechungen regelmäßig zu einer Intervention des Mediators führen werden – im Interesse des Verfahrens, um Zeit zu sparen und um „Gegenangriffe“ zu vermeiden.

 

Und schließlich sollten Trennungspaare dem Wunsch des Mediators nach Informationen, aber auch nach Erledigung von „Hausarbeiten“ nachkommen: Zum einen weil nur diejenige Partei einen gute Vereinbarung schließen kann, die über umfassende Informationen verfügt, zum anderen weil die Erfahrung lehrt, dass sich viele Trennungspaare über differenzierte Betreuungspläne, Aufstellung von Lebenshaltungskosten, Hausratsaufteilung noch keine vertieften Gedanken gemacht haben. Der Austausch umfassender Informationen und die Erstellung von Plänen, Verzeichnissen und Aufstellungen helfen der Gegenpartei, die jeweilige Position besser nachvollziehen zu können und erleichtern dem Mediator die Verhandlungsführung.

 

> Weshalb wird der konsensuale Umgang so betont?

Auseinandersetzungen, Streit, Vorwürfe – all das kennen die Medianden aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit und sind wahrscheinlich bestens gewappnet, auf einen Angriff mit einem Gegenangriff zu reagieren. Dass dies der Mediation, die auf Konsens angelegt ist, nicht zuträglich wäre, liegt auf der Hand. Im schlimmsten Fall könnte dies zu einem Abbruch der Mediation und zu dem führen, was das Trennungspaar gerade vermeiden wollte: eine streitige, zeit- und kostenintensive gerichtliche Auseinandersetzung.

Den Medianden muss daher klar sein, dass der Mediator Angriffe nicht wird durchgehen lassen und wann immer möglich unterbinden wird. Von daher sollte besser von Anfang an darauf verzichtet werden.

 

> Wieso sind Interessen so wichtig?

Konfliktparteien sollten sich stets bemühen, die Gründe/Interessen/Bedürfnisse dafür zu benennen, weshalb sie eine bestimmte Position einnehmen. Denn was für den einen klar, offensichtlich ist, muss es nicht für den anderen sein. Der Mediator wird daher die Konfliktpartei stets dabei unterstützen, ihre Interessen sichtbar zu machen. Der Grund liegt darin, dass es für Positionen immer nur zwei Lösungen gibt: ja oder nein, positiv oder negativ, 0 oder 1. Interessen hingegen lassen sich auf vielfältige Art und Weise befrieden. Und sie werden regelmäßig von der anderen Konfliktpartei eher nachvollzogen als eine Position. Die Position, sich dem Verkauf einer Immobilie zu widersetzen, ist für den anderen möglicherweise nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Wenn jedoch deutlich gemacht wird, dass der Immobilienwert sich erhöhen wird, wenn denn erst das sich in der Planung befindliche Einkaufzentrum errichtet ist, dann wird nicht nur deutlich, worum es tatsächlich geht, sondern auch die Lösungsfindung (nämlich die Festlegung des zukünftigen Verkaufsdatum) gestaltet sich einfacher.

 

> Warum den Trennungspartner im Blick behalten?

Auch wenn es um Trennung und Scheidung geht sollten beide Konfliktpartner im Rahmen des Mediationsverfahrens im Blick behalten, dass sie u. U. auch in Zukunft noch miteinander „verbunden“ sein werden: beispielsweise über gemeinsame Kinder, über die Abwicklung gemeinsamer Vermögenswerte, über geschäftliche Beziehungen, über gemeinsame Freunde, über Zahlungsverpflichtungen etc. Darauf gilt es sich einzustellen – in der Mediation, aber auch in der Zeit danach.

 

> Und was noch?

Eines sollte auf keinen Fall vergessen werden – obwohl es nicht der Schwerpunkt dieses Beitrags ist: Der Mediator informiert nicht nur im oben dargestellten Sinne, sondern erkundigt sich im vorbereitenden Einzelgespräch selbstverständlich auch nach den einzelnen Konfliktpunkten des Trennungspaares,² damit nicht nur die Medianden, sondern auch er sich gut auf das gemeinsame Mediationsgespräch vorbereiten kann.

 


* Die Begriffe Mediator, Rechtsanwalt, Mediand etc. werden nachfolgend wie vom Gesetzgeber als neutrale Begriffe verwendet, die auch Mediatorinnen, Rechtsanwältinnen, Mediandinnen etc. umfassen.

 

[1] https://adribo-academy.de/einzelgespraeche-reduzierung-covid19-stress/

[2] Dabei kann sich der Mediator an folgenden vier Fragen orientieren: 1. Welche Punkte sind zwischen Ihnen problematisch, welche streitig und wie ist es jeweils dazu gekommen? 2. Was ist Ihnen persönlich wichtig? 3. Was ist Ihnen persönlich besonders wichtig? 4. Gibt es weitere Umstände, die Sie für erwähnenswert halten? Und er sollte den Parteien – was die Anworten auf seine Fragen anbelangt – jeweils Vertraulichkeit zusichern!

Ähnliche Beiträge