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Online-Mediation und Digitalkompetenz

Rückblickend kann konstatiert werden: Die Wucht der Covid-19-Pandemie traf die Bereiche des Konfliktmanagements nahezu ebenso unvorbereitet wie die des Gesundheitssektors: Mediatoren wie Ausbildungseinrichtungen sahen sich unvermittelt mit dem Umstand konfrontiert, dass durch „social distancing“ Ausbildungen und Konfliktbeilegungen vielfach nur noch in virtueller Form möglich waren (https://adribo-academy.de/neue-konzepte-mediationsausbildung). Und waren darauf überwiegend nicht vorbereitet, nahm doch bis dahin ODR (Online Dispute Resolution) in Praxis wie im Schrifttum eher ein Nischendasein ein (vgl. https://adribo-academy.de/mediation-in-zeiten-von-corona) – sieht man einmal von Fabian Sturm’s instruktiven Beitrag „Online-Mediation“ ab, der bereits 2020 im „Handbuch zum Mediationsgesetz“, 2. Auflage, S. 764 – 794, erschienen war (vgl. https://adribo.de/videokonferenzen-was-mediatoren-beachten-sollten, ferner zu o.g. Beitrag die Buchbesprechung von Weber, ZKM 2021, 37; zudem Gläßer / Sinemillioglu / Wendenburg, Online-Mediation, ZKM 2020, 80 ff., 133 ff.).

Wenngleich mit dem Abflauen der Pandemie fast alle in Ausbildungseinrichtungen wie auch im konkreten Konfliktmanagement tätige Mediatoren zu traditionellen, im herkömmlichen face2face Präsenz-Setting durchgeführten Veranstaltungen und Verfahren zurückgekehrt sind, hat sich gleichwohl zutreffend die Überzeugung verfestigt, dass Digitalkompetenz für Mediatoren unabdingbar ist. Darauf hat zwischenzeitlich auch der Verordnungsgeber der Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung reagiert und mit seiner Zweiten Änderungsverordnung vom 11. Juli 2023 zusätzlich 10 Stunden Online-Mediation und Digitalkompetenz zu den nicht abdingbaren Ausbildungsinhalten hinzugenommen (vgl. https://adribo-academy.de/laenger-teurer-anspruchsvoller-zweite-verordnung-zur-aenderung-der-zmediatausbv).

Das in diesem Jahr neu auf dem Markt erschienene Werk Online-Mediation – Konfliktklärung im virtuellen Raum von Anne Rickert knüpft vorausschauend hieran an: In sechs Kapiteln auf gut 200 Seiten gibt die Autorin einen umfassenden Überblick zu (nahezu) allen Fragen, die sich im Kontext von Online-Mediation auftun.

So beschreibt sie in Kapitel 1 zunächst, welche unterschiedliche ODR-Formate es gibt, bedauert, dass die Begriffe „Präsenz“ und „online“ als Gegensatz verstanden werden und plädiert für die Verwendung der Begrifflichkeiten „physische Präsenz“ und „virtuelle Präsenz“.

In Kapitel 2 , mit „Souveräne Online-Kommunikation“ überschrieben, wird dargestellt, was Mediatoren vorbereitend wie durchführend beachten müssen, wenn sie im virtuellen Raum erfolgreich agieren wollen.

Die Mediationsphasen, online durchgeführt, werden sodann ausführlich in Kapitel 3 beschrieben, beginnend mit „technisch-organisatorischen Vorbereitungen“ über „das Erstgespräch im virtuellen Raum“ bis hin zur „Abschlussvereinbarung und elektronischer Unterschrift“.

Den nicht unerheblichen technischen Aspekten und dem Datenschutz widmet sich die Autorin in Kapitel 4, um sodann

in Kapitel 5 „Herausforderungen und Potenziale von Online-Mediation“ sowie „Ausblick und Transfer“ darzustellen.

Den Abschluss in Kapitel 6 bilden vier Checklisten, mit deren Hilfe es sowohl Anfängern wie erfahrenen Mediatoren gelingen wird, die zahlreichen Hürden der Online-Mediation zu meistern.

Auf Anne Rickert’s „Online-Mediation“ muss man sich einlassen: das Werk ist inhaltlich breit aufgestellt und enthält viele wertvolle Hinweise, hilfreiche Tipps, unterstützende Formulierungshilfen, erläuternde Abbildungen und gut übersichtliche Tabellen. Nützlich auch das Glossar für diejenigen, die erstmals oder nur gelegentlich in die virtuelle Welt eintauchen.

Zugleich begegnet es dem Leser „unorthodox“: so vermisst man ein einheitliches Literaturverzeichnis und ein Abkürzungsverzeichnis. Die den einzelnen Kapiteln jeweils vorangestellten „Zusammenfassungen“ sind zumindest gewöhnungsbedürftig. Und mit den in Kapitel 3 in die inhaltlichen Darstellung vielfach eingestreuten, sich teilweise über mehrere Seiten erstreckende „Experteninterviews“ wird die Grundstruktur des Buches verlassen. Wenn die Interviews schon Eingang in die Publikation finden mussten, dann doch eher zusammengefasst, als eigenständiger Teil und am Ende verortet.

Doch all dies schmälert nicht den grundsätzlichen Wert des Werkes! 37,99 Euro sind für die Print-Ausgabe zweifellos gut angelegtes Geld für das bei Springer Gabler unter der ISBN 978-3-658-39413-4 erschienene Buch, das zudem als eBook erhältlich ist

Zum Schluss, bezogen auf die zukünftigen Ausbildungsinhalte Online-Mediation und Digitalkompetenz, noch so viel: Die technischen Veränderungen, ja Revolutionen werden auch zukünftig vor den Bereichen des Konfliktmanagements nicht halt machen. KI – Künstliche Intelligenz – steht nicht mehr nur vor der Tür, sondern ist in Gestalt von ChatGPT bereits in diesen Bereich eingetreten (vgl. nur https://adribo-academy.de/mediation-und-kuenstliche-intelligenz, ferner Steffek, Die Veränderung der Konfliktlösung durch künstliche Intelligenz, ZKM 2022, 212 ff., 2023, 121 ff., Heetkamp / Piroutek, ChatGPT in Mediation und Schlichtung, ZKM 2023, 80 ff.).

Unabhängig von einer Vielzahl ethischer Fragen, die in diesem Kontext zu behandeln wären,

kann ein Konfliktmittler bspw. bereits jetzt

sich von der KI Informationen bereitstellen und Dokumentationen erstellen lassen (Frackiewicz, https://ts2.space/en/chatgpt-4-and-alternative-dispute-resolution-exploring-ais-role-in-mediation-and-arbitration; Gohil, https://meetanshi.com/blog/chatgpt-vs-google)

optimierte Lösungen für den jeweiligen Konflikt generieren (Melamed, https://mediate.com/optimizing-ai-in-mediation) und

Kommunikationstools anbieten, um die Kommunikation zwischen den Konfliktbeteiligten zu erleichtern (Ruby, https://towardsdatascience.com/how-chatgpt-works-the-models-behind-the-bot-1ce5fca96286 )

um nur einige Möglichkeiten zu benennen.

Sich hiermit frühzeitig vertraut zu machen, kann allen Mediatoren, insbesondere denen, die verstärkt im virtuellen Raum unterwegs sein wollen, nur angeraten werden.

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