Die Ausgangslage
Der Niedersächsische Anwaltsgerichtshof hat jüngst entschieden, dass ein Fortbildungsnachweis, der im Grundsatz für zwei Fachanwaltsgebiete geeignet wäre, nicht gleichzeitig auf die Fortbildungspflicht für zwei bestehende Fachanwaltstitel angerechnet werden kann (Urteil vom 12.11.2018 – AGH 13/18 (II 12/12), BRAK-Mitteilungen 2/2019, S. 87 ff). Eine doppelte Anrechnung von Fortbildungen ist somit nicht möglich:
Der Gerichtshof leitet dies aus der Norm des § 15 FAO ab, die der Qualitätssicherung, d. h. einem einheitlichen Qualitätsstandard für Fachanwälte, diene. Die Vorschrift sehe eine Doppelverwertung nicht vor und enthalte auch keine – durch Auslegung zu schließende – Regelungslücke.
Die Anforderungen an die Fortbildungspflichten würden aufgeweicht, wenn Doppelverwertungen zugelassen würden, weil Kombinationsveranstaltungen immer Elemente verschiedener Fachgebiete beinhalteten und in Bezug auf das eine oder andere Fachgebiet denknotwendigerweise „weniger“ Stoff böten als eine Fortbildung, die auf nur ein Fachgebiet abziele.
Die Regelungslage für Zertifizierte Mediatoren
Nicht wenige Fachanwälte, die zugleich zertifizierte Mediatoren sind, stehen vor der Verpflichtung, Fortbildungen gem. § 15 FAO und zugleich nach § 3 ZMediatAusbV erfüllen zu müssen. Beide Vorschriften sind von ihrem Wortlaut her ähnlich:
Während es in § 15 FAO heißt
(1) Wer eine Fachanwaltsbezeichnung führt, muss kalenderjährlich auf diesem Gebiet … an fachspezifischen der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen teilnehmen…
(3) Die Gesamtdauer der Fortbildung darf je Fachgebiet 15 Zeitstunden nicht unterschreiten.
wird in § 3 ZMediatAusbV ausgeführt
(1) Der zertifizierte Mediator hat nach Abschluss der Ausbildung regelmäßig an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Der Umfang …beträgt innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren mindestens 40 Zeitstunden.
Im Schrifttum wie in der Kommentarliteratur finden sich – soweit ersichtlich – bislang keine Ausführungen dazu, ob wechselseitige Anrechnungen einer Mediationsfortbildung auf eine Fachanwaltsfortbildung und umgekehrt möglich sind. Legt man die Argumente zugrunde, die der Anwaltsgerichtshof in seiner Entscheidung dargelegt hat, dann scheidet allerdings eine solche wechselseitige Anrechnung aus. Zwar sind durchaus Fortbildungen vorstellbar, die sowohl den Mediationsbereich wie den eines Fachanwaltsbereichs abdecken. Zu denken wäre hier an eine Fortbildungsveranstaltung mit Titel und Inhalt „Vertiefung im Familienrecht für Mediatoren“.
Wenn aber bereits § 15 FAO keine Regelungslücke enthält, dann muss dies ebenso für die vom Wortlaut her vergleichbare Vorschrift des § 3 ZMediatAusbV gelten, so dass eine Doppelverwertung im Wege einer Auslegung auch in der hier diskutierten Konstellation (Fachanwalt einerseits, zertifizierter Mediator andererseits) ausscheidet.
Es kommt hinzu, dass die Doppelverwertung einer Kombinationsveranstaltung auch in diesem Bereich die Anforderungen an die jeweiligen Fortbildungspflichten aufweichen würden. Eine Fortbildungsveranstaltung „Vertiefung im Familienrecht für Mediatoren“, wie sie bspw. von adribo ACADEMY angeboten wird, enthält sowohl familienrechtliche als auch mediationsspezifische Inhalte, die ineinandergreifen (vgl. https://adribo-academy.de/fortbildungen/ ). Für den Fachanwalt im Familienrecht erreichen die Inhalte, die sich in einem derartigen Fortbildungsangebot mit dem Familienrecht befassen, nicht den Umfang wie dies in einer allein für Fachanwälte im Familienrecht konzipierten Fortbildung der Fall ist. Und da andererseits auch die spezifischen Elemente des Mediationsverfahrens einen geringeren zeitlichen Umfang einnehmen als in einem reinen, allein dem Verfahren und den Inhalten einer Mediation gewidmeten Seminar ist es sachgerecht, auch insoweit nur eine Anrechnung der vollen Stundenzahl entweder für die Fortbildungsverpflichtung als Zertifizierter Mediator oder als Fachanwalt für Familienrecht zuzulassen.
Allenfalls dann, wenn eine Kombinationsveranstaltung klar abtrennbare Inhalte aufweist, die im oben gewählten Beispielsfall einerseits der Mediation und andererseits dem Familienrecht zuzuordnen sind und der Veranstalter hierfür Bescheinigungen ausgibt, die dies mit jeweiliger Stundenzahl ausweisen, könnte an eine auf die jeweilige Stundenzahl begrenzte Anrechnung gedacht werden. Eine derartige Vorgehensweise würde auch nicht, was der Anwaltsgerichtshof befürchtet, die Anforderungen an die jeweiligen Fortbildungspflichten aufweichen.
Ausschluss auch bei anderen Grundberufen
Die vorstehenden Ausführungen sind schließlich auch in solchen Fallkonstellationen anwendbar, in denen Zertifizierte Mediatoren zugleich einen andere Fachanwaltsbezeichnung als die im Familienrecht führen, bspw. „Fachanwalt im Erbrecht“ oder „Fachanwalt im internationalen Wirtschaftsrecht“. Sie finden zudem Anwendung, wenn es um einen anderen Grundberuf geht der ebenfalls verbindliche Fortbildungspflichten normiert wie dies beispielsweise bei Psychologen, Medizinern, Psychotherapeuten und Steuerberatern der Fall ist.
Konsequenzen einer unzulässigen Doppelanrechnung
Für Mediatoren gibt es bekanntlich keine staatliche Institution oder private Stelle die überprüft, ob derjenige, der das Gütesiegel „Zertifizierter Mediator“ führt, auch die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, namentlich seinen Fortbildungsverpflichtungen aus § 3 ZMediatAusbV nachgekommen ist. Die rechtlichen Konsequenzen eines unzulässigen Verhaltens
– in Betracht kommen Unterlassungsansprüche eines Mitbewerbers (d.h. eines anderen zertifizierten Mediators) gem. § 8 Abs. 1 UWG oder
– Anfechtung des Mediatorenvertrages durch den Medianden wegen Täuschung über die berufliche Qualifikation (§§123, 119 Abs. 2 BGB) mit der Folge der Nichtigkeit des Mediatorenvertragses und dem Wegfall der Mediatorenhonorars (vgl. zu Einzelheiten Fritz/Pielsticker, Kommentar zur ZMediatAusbV (2018), § 1 Rdn. 11 f)
dürften eher theoretischer Natur sein und in der Praxis kaum auftreten. Indes ist es eine Frage der beruflichen Ethik, ob ein Mediator, der sich als zertifiziert bezeichnet, die gesetzlichen Anforderungen erfüllt oder ob er sich mit falschen Federn schmückt.
Fazit
Wer eine Fortbildungsveranstaltung mit Doppelcharakter besucht muss sich entscheiden, für welche seiner Fortbildungspflichten er den Fortbildungsnachweis anrechnen lassen will. Eine Doppelanrechnung zur Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung aus § 3 ZMediatAusbV und zugleich für ein anderes Berufsbild kommt nicht in Betracht.